KONKURS
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Scharfe Attacke gegen Swissair aus Frankreich

Sonntag, 17. Juni 2001 / 01:13 Uhr
aktualisiert: 7. Juli 2001 / 20:19 Uhr

Paris - Ernest-Antoine Seillière (Foto), der französische Arbeitgeberpräsident hat am Samstag die Swissair und Frankreichs Transportminister Jean-Claude Gayssot scharf kritisiert. Er warf ihnen vor, das Debakel bei AOM/Air Liberté provoziert und beschleunigt zu haben.

Am Tag nach dem Konkursantrag der französischen Fluggesellschaften AOM und Air Liberté, an denen die Swissair Group 49,5 Prozent des Kapitals besitzt, hat Seillière an einer Pressekonferenz in Paris das Vorgehen der Swissair als "einer grossen Gesellschaft unwürdig" bezeichnet.
Der Chef der Finanzgesellschaft Marine-Wendel, die mit einem Anteil von 50,5 Prozent zweiten Haupaktionärin der AOM/Air Liberté ist, attackierte auch den französischen Transportminister Gayssot. Dieser habe ihn für das Debakel verantwortlich gemacht und ihn in einer ungerechtfertigten Kampagne als "Baron" diffamiert, sagte Seillière.

Swissair weist Vorwürfe zurück

Swissair-Sprecher Siro Barino wies Seillières Vorwürfe als "unbegründet" zurück. "Marine-Wendel hat alle strategischen Entscheidungen mitgetragen und AOM/Air Liberté zusammen mit der Swissair geführt", sagte er auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Die Finanzgesellschaft habe über ihre Tochter Tatibout Antibes immerhin drei von sieben Verwaltungsratssitz inne gehabt, die Swissair dagegen nur zwei.
Barino rief in Erinnerung, dass die Swissiar sich bereit erklärt hatte, 2 Milliarden französiche Francs (rund 480 Mio. Fr.) für eine Restrukturierung der nur noch unter dem Namen Air Liberté operierenden Fluggesellschaften zu zahlen. Dies allerdings nur unter der Bedingung, dass Marine-Wendel ihrerseits mit 1 Mrd. französischen Francs für die Sanierung aufkommme. Dies hatte die Finazgesellschaft abgelehnt.

Weil sich bis zum Freitag offenbar keine ernsthafte Lösung durch eine Übernahme abzeichnete, hat Marc Rochet, der Verwaltungsratspräsident von AOM/Air Liberté bei einem Handelsgericht um Nachlassstundung ersucht. Ziel sei, Lösungen für eine Restrukturierung der Gruppe zu finden.

"Die Angelegenheit kann für die Swissair teuer werden", sagte Gilles Nicoli vom französischen Gewerkschaftsdachverband CFDT am Samstag auf Anfrage. Die Swissair hat für ihre Verpflichtungen aus Airline-Beteiligungen bislang Rückstellungen von 2,4 Mrd. Fr. vorgenommen. Französische Medien haben die Kosten eines Bankrotts auf rund 6 Mrd. französische Francs (1,5 Mio. Fr.) geschätzt.

Gericht sucht Lösung

Das Handelsgericht von Créteil wird voraussichtlich am Dienstag einen juristischen Verwalter ernennen. Dieser wird prüfen ob und wie die Gesellschaften überleben können. Auch kann er entscheiden, ob die Schulden ganz oder nur teilweise zurückgezahlt werden müssen. Das Gericht kann zudem einen Käufer für die Gesellschaft suchen.

"Ich hoffe, dass neue Kaufangebote eine konstruktive Lösung bringen werden", erklärte Marine-Wendel-Chef Seillière weiter. Am Freitag hatte die britische Billigfluglineie EasyJet ihr Interesse an Teilen der französischen Gesellschaft bekundet. Damit könne die Präsenz auf dem Pariser Flughafen Orly verstärkt werden, teilte sie mit.

Am Samstag bekräftigte auch die britische Beratergruppe AITI Holding ihr Angebot vom Juni, AOM/Air Liberté für 3 Mrd. französiche Francs (700 Mio. Fr.) zu übernehmen.
Jean Immediato von der Pilotengewerkschaft SNPL hatte am Freitag ebenfalls mitgeteilt, dass seine Gewerkschaft an einer Alternative arbeite, die erfolgsversprechend aussehe. Nähere Angaben dazu machte er nicht.
(ba/sda)